Hintergrund: Der Kampf um Marktanteile hält den Ölpreis tief

Hintergrund: Der Kampf um Marktanteile hält den Ölpreis tief

Die Organisation erdölexportierender Länder OPEC setzt auf die Zukunft des Öls. Besonders Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate steigern die Produktion, da sie kurzfristig mehr Ölbedarf sehen.

Im aktuellen World Oil Outlook bleibt die OPEC gar bis 2050 zuversichtlich und prognostiziert einen Anstieg der Nachfrage um fast 20 Millionen Fass pro Tag. Das wäre ein Zuwachs von 20 Prozent gegenüber der heutigen Nachfrage. Damit widerspricht die OPEC der Internationalen Energieagentur IEA, die einen Nachfragerückgang ab 2030 erwartet. Die jüngste mittelfristige Prognose „Oil 2025“ der IEA geht von einem „Rinnsal in den nächsten Jahren“ und einem Rückgang im Jahr 2030 aus. Es überrascht nicht, dass die hiesigen Medien vor allem die Prognose der IEA verbreiten und jene der OPEC grösstenteils übersehen.

Die Prognose der OPEC erfordert erhebliche Investitionen in neue Kapazitäten. Grosse Unsicherheit macht Anleger allerdings vorsichtig. In den letzten zehn Jahren sind die weltweiten Investitionen in Öl und Gas deutlich gesunken, vor allem wegen des Fokus auf kurzfristige Projekte wie US-Schieferöl. Nur staatliche Firmen im Nahen Osten und Asien erhöhten ihre Ausgaben, etwa Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zur Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten.

Riad und Abu Dhabi fordern nun höhere Renditen aus ihren Investitionen. Obwohl sie über ein Viertel der weltweiten Ölreserven verfügen, betrug ihr Anteil an der globalen Ölproduktion 2023 nur 16 %. Saudi-Arabien trug bislang den Grossteil der freiwilligen Produktionskürzungen, will aber keine weiteren Marktanteile an die Vereinigten Arabischen Emirate verlieren. Deshalb setzt Riad seit April auf eine Rücknahme der Kürzungen, um die Produktion zu steigern.

Ob Riad mit seiner Strategie Erfolg hat, hängt vom Ölpreis ab. Frühere Versuche, Marktanteile zu sichern, führten meist zu Einbrüchen und untragbar tiefen Preisen für die Produzenten. Die Golfstaaten zeigen sich trotzdem entschlossen, ihre verlorenen Anteile zurückzugewinnen, und gehen damit ein kalkulierbares Risiko ein. Es wird erwartet, dass die Ölproduktion in den USA um 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben dürfte. Wie die Covid-Pandemie gezeigt hat, geht die Schieferölproduktion sehr schnell zurück, wenn die Unternehmen nicht genügend neue Bohrlöcher bohren und fertigstellen. Dadurch liegen die Grenzkosten für neues Schieferöl bei rund 60 USD pro Fass, was als möglicher Preisboden für OPEC+ gilt. Sollten die OPEC+-Länder mit niedrigeren Preisen zufrieden sein, könnten sie Marktanteile zurückgewinnen und mehr Investitionen anziehen – vorausgesetzt, die Nachfrage bleibt vorhanden.

Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse