
Wirtschaftlichkeit in der Energiewende
Bei Kaufentscheidungen im Trilemma Wirtschaftlichkeit-Versorgungssicherheit-Ökologie gibt die Wirtschaftlichkeit den Ausschlag. UntergangsszenarienVerschiedene Gruppierungen aus der Wissenschaft,
Indem sie dem Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative zustimmte, hat die Stimmbevölkerung im vergangenen Juni beschlossen, dass unser Land im Jahr 2050 netto keine Klimagase mehr ausstossen darf. Dieses Ziel ist somit demokratisch abgesegnet und zu respektieren. Damit ist allerdings noch überhaupt nicht klar, wie der Weg dahin aussehen soll.
Diesen Herbst hat die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren EnDK die revidierten Mustervorschriften für den Gebäudepark verabschiedet, die sogenannten MuKEN 2025. Dem Volksentscheid vom Juni folgend sehen diese konsequenterweise vor, dass spätestens ab 2050 alle Gebäude ohne CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen beheizt werden sollen. Doch was heisst das konkret?
Viele denken, dass gerade im Gebäudebereich der Ausstieg aus den fossilen Energien besonders einfach ist. Nichts scheint näherzuliegen, als rasch auf eine der zahlreichen klimaschonenden Alternativen umzusteigen, die es bei den Heizsystemen gibt. Doch allein schon der Blick in die Gebäudestatistik des Bundes zeigt, wie realitätsfremd die Vorschriften der EnDK sind.
Über eine Million fossil beheizte Gebäude
Das Mengengerüst sieht so aus, dass im Jahr 2022 rund 730 000 Gebäude mit Heizöl und 330 000 mit Erdgas beheizt wurden; insgesamt umfasst dies etwa 3 Millionen Wohnungen. Relativ gesehen heisst dies, dass in der Schweiz nach wie vor gut die Hälfte aller Wohngebäude mit dem einen oder anderen fossilen Energieträger beheizt wird. Schauen wir in der Statistik etwas zurück, sehen wir, dass im Jahr 2010 noch rund zwei Drittel aller Gebäude fossil beheizt wurden, was damals allerdings absolut gesehen praktisch genau derselben Anzahl entsprach wie 2022. Wir sehen also, dass der relative Anteil der fossilen Heizungen deutlich zurückgeht – denn Neubauten werden kaum noch fossil beheizt – ihre absolute Zahl jedoch nahezu unverändert bleibt. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass in den letzten Jahren der Umstieg von Öl auf Gas forciert vorangetrieben wurde. Der Absatz von Heizöl nimmt logischerweise kontinuierlich ab. Das hängt allerdings nicht nur mit dem Umstieg auf alternative Systeme zusammen, sondern auch mit dem Ersatz älterer Ölheizungen durch neue und energieeffizientere Modelle.
Doch zurück zum Ziel 2050: Um die Energiestrategieziele im Gebäudesektor zu erfüllen, müssten innerhalb der nächsten 25 Jahre jährlich 40 000 fossile Heizungen durch alternative Systeme ersetzt werden, pro Arbeitstag also etwas mehr als 150. Es liegt auf der Hand, dass für ein derartiges Vorhaben weder geeignete alternative Heizsysteme in genügender Zahl noch die finanziellen Mittel in Milliardenhöhe noch die qualifizierten Fachspezialisten vorhanden sind. Die Folge ist, dass beim Heizungsersatz in jüngster Zeit der Einbau von Gas- und Ölkesseln und –Brennern wieder zunimmt, während die alternativen Systeme stagnieren. Dies hielt der Fachverband GebäudeKlima Schweiz anlässlich seiner jüngsten Erhebung der Absatzzahlen im August 2024 fest.
Rekord bei den Fahrzeugen mit Tank
Auch im Verkehrssektor fördert ein Blick in die Statistik Überraschendes zutage. Die Automobilimporteure melden mit schöner Regelmässigkeit neue Verkaufsrekorde bei Neufahrzeugen mit alternativen Antriebstechnologien, wobei die Absatzzahlen bei den reinen Stromern in jüngster Zeit stagnieren. Aktuell verfügen bloss noch etwas über 40 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge ausschliesslich über einen Diesel- oder Benzinmotor. Für die Mineralölbranche sind das wichtige Indizien, stellt sich doch die Frage, wie sich die Geschäftsmodelle von Tankstellen und Treibstofflieferanten in den kommenden Jahren entwickeln werden.
Fakt ist nun aber auch, dass in der Schweiz noch nie so viele Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren zugelassen waren wie heute. Laut Bundesamt für Statistik waren 2023 rund 6,5 Millionen Motorfahrzeuge (ohne Mofas) eingelöst. Der Bestand der Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor, einschliesslich der Diesel- und Benzinhybride, belief sich dabei auf rund 6,25 Millionen Fahrzeuge, mehr als in irgendeinem Jahr zuvor. Der Anteil der ausschliesslich über eine Batterie gespiesenen Elektromobile (BEV) betrug bei den Personenwagen 3,3 Prozent, bei den Sachentransportfahrzeugen 1,8 Prozent.
Auf der einen Seite haben wir also eine rekordhohe Zahl an Fahrzeugen mit Tank und auch das stets wachsende Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung. Dem gegenüber steht die verbesserte Energieeffizienz der Antriebssysteme. Diese Trends halten sich aktuell mehr oder weniger die Waage, sodass der Absatz der Strassentreibstoffe über die Jahre gesehen kaum sinkt.
Überambitionierte Ziele schaden der Sache
Nichtsdestotrotz will der Bundesrat auch im Mobilitätsbereich realitätsferne Emissionsziele setzen. Laut Entwurf zur CO2-Verordnung, der sich bis Mitte Oktober in der Vernehmlassung befand, sollen die Emissionen des Strassenverkehrs bis zum Jahr 2030 auf 75 Prozent des Referenzjahres 1990 sinken.
Heute betragen die Emissionen bezogen auf 1990 laut Treibhausgasinventar des Bundes rund 92 Prozent. Von Bedeutung ist jedoch, was seit dem Höchststand der Emissionen im Jahr 2008 geschehen ist. Damals beliefen sie sich auf 112 Prozent, und seither verläuft der Absenkpfad mehr oder weniger linear und beträgt im Schnitt rund 0,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Dies allein ist eine Erfolgsgeschichte angesichts des stets wachsenden Güter- und Personenverkehrsvolumens auf der Strasse! Um nun das vom Bundesrat anvisierte Ziel 2030 zu erreichen, müssten in den verbleibenden 5 Jahren im Jahresdurchschnitt jedoch 0,5 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden. Es gibt keine Anzeichen im Markt, dass in diesem kurzen Zeitraum ein solcher Umbruch stattfinden könnte: Die Treibstoffabsätze sinken voraussichtlich wie bisher um jährlich etwa 1,2 Prozent, die Beimischquote klimaneutraler biogener Treibstoffe stösst an die Grenze der aktuell geltenden Normen, die Fahrleistungen nehmen zu. Bei einer Reduktionsrate der CO2-Emissionen im Verkehrssektor im bisherigen Rahmen werden sie 2030 rund 85 Prozent des Jahres 1990 betragen.
Im Grunde genommen zeigen diese Beispiele eine Erfolgsgeschichte: In der Schweiz sinken die Treibhausgasemissionen trotz wachsender Bevölkerung und guter Wirtschaftslage. Andererseits verdeutlichen sie auch, dass sich die Realität nicht zwingend an wohlgemeinte ambitionierte Ziele hält. Zum Erfolgsmodell Schweiz gehört unter anderem die Bereitschaft, unbequemen Realitäten ins Auge zu blicken und pragmatische Kompromisse zu finden. Zur Realität gehört, dass die Mineralölwirtschaft heute über 45 Prozent des Energiebedarfs der Schweiz deckt. Wer diesen Energieträger in 25 Jahren eliminieren will, nimmt massive und wohl auch zerstörerische Eingriffe in unser Wirtschaftssystem und den privaten Besitzstand in Kauf. Pragmatismus beim Klimaschutz würde bedeuten, nicht auf fixen Zielen und linearen Absenkpfaden zu beharren. Solche klingen zwar gut in der politischen Debatte, führen aber zum Vertrauens- und Motivationsverlust, wenn sie nicht erreichbar sind und wohl oder übel eines Tages korrigiert werden müssen. Zielführender wäre es, konsequent in die Erforschung und Entwicklung wirtschaftlich tragbarer Alternativen zu investieren, um dereinst die heute so bedeutenden und erfolgreichen fossilen Energieträger ohne soziale und wirtschaftliche Kollateralschäden ablösen zu können.
Es mag im ersten Moment überraschen: als Vertreter der Mineralölwirtschaft äussere ich mich zur Stromversorgung und Kernenergie. Es gehört zur DNA der «Petroliers», für eine bezahlbare, sichere und jederzeit verfügbare Energieversorgung Verantwortung zu tragen. Dies beinhaltet auch ein vertieftes Verständnis für die logistischen und physikalischen Voraussetzungen, die für eine gesicherte Energieversorgung nötig sind. Diesbezüglich zeigen sich in jüngster Zeit Fehlentwicklungen. Diese haben zur Folge, dass die Mineralölfirmen in den kommenden Jahren auch noch die letzte Verteidigungslinie für eine sichere Stromversorgung im Winter gewährleisten. Sie werden im Notfall hunderte von Stromgeneratoren sowie grosse Ölkraftwerke mit Diesel beliefern.
Ausserhalb des deutschen Sprachraums geht man andere Wege. Finnland schaltete dieses Jahr das bisher grösste Kernkraftwerk Olkiluoto 3 ans Netz. Zwar mit 13 Jahren Verspätung und enormen Kostenüberschreitungen, aber die Finnen und selbst die Vertreterinnen der Grünen akzeptieren die Kernenergie; ja sie sind erleichtert, gewährt Olkiluoto 3 doch die Versorgungssicherheit und just zum rechten Zeitpunkt die Unabhängigkeit, namentlich von der Energie Russlands. Auch die Sozialdemokraten Schwedens, die in der Vergangenheit Kernreaktoren stillgelegt haben, vollziehen einen Kurswechsel. Sie haben verstanden, dass die heute noch laufenden Kernkraftwerke des Landes, die 30 Prozent zur Stromversorgung beitragen, nicht durch eine andere Technologie ersetzt werden können. Aus Frankreich bezieht die Schweiz regelmässig grosse Mengen an (Atom-)Strom. Präsident Macron plant bis 2050 den Bau von gleich sechs neuen Kernkraftwerken. Und in den USA pumpt die Biden-Administration über den Inflation Reduction Act Milliarden in den Erhalt und die Weiterentwicklung der Kernenergie. Nur in Deutschland hat die grüne Ideologie dazu geführt, dass neuste Kernanlagen stillgelegt wurden, obwohl die Energieversorgungssicherheit auf der Kippe steht und die Klimaziele unerreichbar sind.
In der Schweiz tun wir gut daran, beide Wege zu einer CO2-freien Stromversorgung zu beschreiten: sowohl den erneuerbaren als auch den nuklearen. Am Wochenende entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Zukunft der erneuerbaren Stromproduktion in unserem Land. Avenergy Suisse unterstützt das Stromgesetz, mit dem der Ausbau der Solar- und Windenergie und der Speicherseen gefördert werden soll. Wie die Finnen sollten auch wir in der Schweiz die Autarkie der Energieversorgung im Auge behalten. Das Stromgesetz bietet dafür eine gewisse Gewähr. Trotzdem werden wir nicht umhinkommen, in Kürze das über der Kernenergie verhängte Tabu zu brechen und um einen politischen Konsens zu ringen. Auch die Kernenergie muss in unserem Land eine Zukunft haben, sollen dereinst die fossilen Energieträger ersetzt werden.
Oldtimer-Piloten und andere Fans des Verbrennungsmotors möchten auch in Zukunft bei den bewährten Antriebssystemen bleiben und trotzdem klimaschonend unterwegs zu sein. Sie erkundigen sich häufig danach, ab wann und wo synthetische Treibstoffe bezogen werden können, auch Synfuels oder E-Fuels genannt.
Auskünfte auf solch Anfragen sind nicht leicht. Fallen sie optimistisch aus, werden Hoffnungen geweckt, die sich vielleicht nicht sehr rasch erfüllen lassen. Bleibt man zu zurückhaltend, wird eventuell der Eindruck erhärtet, dass das Ende des Verbrennungsmotors zumindest auf der Strasse eben doch naht. Wo liegt das Problem?
Die Vorteile des Konzepts der Synfuels sind bestechend: sie lassen sich in beliebigen Mengen mit den konventionellen Treibstoffen mischen, was ihre Markteinführung berechenbar macht. Sie sind von vergleichbarer Qualität wie ihre fossilen Vorbilder. Im Markt müssen weder die Verbrauchergeräte – also der Automobilbestand – noch die Versorgungssysteme ersetzt werden. Im Vergleich zum Strom sind Energiemoleküle viel einfacher zu transportieren und zu lagern, was gut ist für die sichere und robuste Versorgung des Marktes.
Der Krux liegt allerdings bei der Herstellung der Synfuels. Damit ihre Verbrennung netto null CO2-Emissionen verursacht, muss zum einen der für die Synthese benötigte Strom selbst CO2-frei hergestellt werden. Zum andern muss die Kohlenstoff-Quelle vorgängig aus der Atmosphäre entnommen worden sein, sei es mit technischen Mitteln oder durch Pflanzen. Ohne weiter ins Detail zu gehen, wird klar, dass diese Herstellung technisch aufwändig und anfangs sehr teuer sein wird. Es braucht mutige unternehmerische Entscheide, um Milliardeninvestitionen auszulösen. Im gegenwärtigen Umfeld – geopolitische Krisen, fehlende politische Signale zugunsten der chemischen Energieträger – ist das Zögern der Investoren verständlich. Kurzum: bis ein flächendeckender Ersatz von Benzin und Diesel durch synthetische Treibstoffe möglich ist, braucht es noch viele und gemeinsame Anstrengungen der Industriestaaten.
Und doch sind Synfuels heute schon als Nischenprodukte erhältlich. Wo die nötige Zahlungsbereitschaft vorhanden ist, entstehen erste Lieferketten. Hier sind namentlich der Autorennsport und die Oldtimer-Gemeinschaft zu erwähnen. Diese Kreise zeigen, dass Synfuels funktionieren und der Verbrennungsmotor eine Zukunft hat. Sie geben auch im wahrsten Sinn des Wortes die Initialzündung für weitere Investitionen. Der Markthochlauf für synthetische Treibstoffe ist in Griffnähe, und damit auch eine absehbare Senkung der Produktionskosten dank Skaleneffekten. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es ein grosser Fehler, das Knowhow und die Infrastruktur der Mineralölbranche und den Verbrenner leichtfertig zur Disposition zu stellen.
Und drittens werden flüssige Energieträger für den Strassenverkehr noch lange Zeit dominant sein.
Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse
Ende Februar berichtete die Hauptausgabe der ARD-«Tagesschau» über die aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland. Teil des Berichts: die Meldung, dass Kettensägen-Weltmarktführer Stihl seinen geplanten Ausbau der Produktion nicht in Deutschland, sondern in Wil SG in der Schweiz realisieren will – dabei war das Feld im deutschen Ludwigsburg bereits planiert! Aufsichtsratschef Nikolas Stihl sagte dazu im Interview: «Die Mitarbeiter in der Schweiz verdienen mehr Geld, aber die Gesamtkosten, die sich aus Abgaben, Steuern, Energiekosten und so weiter zusammensetzen, führen dazu, dass die Produktion in der Schweiz mittlerweile tatsächlich günstiger ist als in Deutschland.»
Stihl hat Recht mit seinen Aussagen. Das scheinbare Energiewendevorbild Deutschland hat mittlerweile durch Umlagen und Fördertopfabschöpfungen derart hohe Energiekosten und Steuerlasten, dass die produzierende Industrie aus dem Land flieht. Dass sie aber in ein Hochlohnland wie die Schweiz zieht, muss uns hellhörig machen! In einem vernichtenden Bericht las der Bundesrechnungshof vergangene Woche der deutschen Bundesregierung in Bezug auf deren Energiepolitik denn auch die Leviten. In den Planungen würden nur Best-Case-Szenarien verwendet, Annahmen zum Ausbau der Erneuerbaren seien wirklichkeitsfremd, Auswirkungen auf Natur und Landschaft würden nicht genügend quantifiziert, Systemkosten nicht in die Kosten der Erneuerbaren eingerechnet. Die sichere Versorgung sei gefährdet, die Energiewende drohe zu scheitern. Viele Aussagen im Bericht des Rechnungshofs liessen sich durchaus auf die aktuelle Schweizer Energiepolitik übertragen. Noch sind wir dank der grossen Stauseeprojekte unserer visionären Grossväter nach dem Zweiten Weltkrieg auf Rosen gebettet, was die Stromversorgung betrifft. Dieser Luxus wird aber nicht ewig währen.
Die Flucht der Firma Stihl aus Deutschland in die Schweiz zeigt exemplarisch, dass es noch möglich ist, als Hochlohnland auch für die produzierende Industrie attraktiv zu sein. Nicht jedes Unternehmen will aus Europa wegziehen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Industrie eine andere Wahl bleibt als der asiatische Kontinent als Produktionsstandort. Dafür aber müssen Standortfaktoren wie Energiepreise, Staatsquote, Abgaben- und Steuerlast stimmen und Kompromisse zu den ambitionierten, klimapolitischen Zielen Mitteleuropas gefunden werden. Ist das der Fall, kann die Rechnung für Firmen aufgehen, die unser hohes Lohnniveau als Teil eines Gesamtdeals akzeptieren.
Wir tun also gut daran, Energiepolitik nicht nur an klima-, sondern auch an wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielen zu messen und auszurichten und dabei nicht nur vom Best Case auszugehen. Energie wird in Zukunft ein wichtiger Standortfaktor sein, und wir sollten dem Parlament bei energiepolitischen Entscheiden genau auf die Finger schauen. Eine Menge Arbeitsplätze und Löhne hängen daran, aber eben auch geostrategisch wichtige Produktionskapazitäten, um die wir noch froh sein werden in den konfliktreichen Jahrzehnten, die vor uns liegen.
Im Januar hat der Bundesrat die Legislaturziele 2023 – 2027 bekanntgegeben. Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Gleichstellung der Geschlechter, Integrationsförderung, Erneuerung der Beziehungen zur EU, Klimaschutz … war da noch was? Ach ja, die Energieversorgung. Auf dem 25. und letzten Platz, quasi unter «ferner liefen», steht es: «Die Schweiz stellt die Sicherheit und Stabilität der Energieversorgung sicher und fördert den Ausbau der inländischen Produktion von erneuerbarer Energie». Der Bund listet dazu gerade mal fünf Massnahmen auf. Sie beziehen sich auf die Stromversorgung, das Gasversorgungsgesetz und die lange erwartete Wasserstoffstrategie, die auf diesen Herbst in Aussicht gestellt wird.
Ein genauerer Blick in die angestrebte Änderung des Stromversorgungsgesetzes zeigt, dass es unter anderem um neue Reservekraftwerke geht. Die, nota bene, mit fossilen Energien betrieben werden. Diese verklausulierte Form der Kommunikation ist bezeichnend für die Kultur des Denkverbotes und Duckmäusertums, die in der aktuellen Energiepolitik vorherrscht. Ehrlicher wäre: Noch auf Jahre hinaus wird Diesel nicht nur zum Heizen oder als Treibstoff genutzt, sondern er dient darüber hinaus auch als Absicherung der Stromerzeugung in Notlagen. Im ganzen Land stehen Notstromgruppen bereit, die bei angespannten Versorgungslagen abgerufen werden können. Sie alle laufen mit Heizöl. Dieses wegen der Versäumnisse der Politik notwendig gewordene Arrangement wird während der gesamten Legislatur Bestand haben.
Um den Weg bis 2050 zu meistern und das übergeordnete Ziel einer sicheren, bezahlbaren und klimaschonenden Energieversorgung zu erreichen, braucht es ein Umdenken: Die Politik muss anerkennen, dass Mineralöl auf absehbare Zeit eine wichtige Stütze unserer Energieversorgung bleibt. Sie muss aufhören, den verlässlichsten Energieträger der Schweiz kleinzureden. Es kann nicht sein, dass das Reservekraftwerk Birr als «Gaskraftwerk» bezeichnet wird, obwohl es im Bedarfsfall mit Heizöl betrieben wird. Und es kann nicht sein, dass die Energiestrategie des Bundes den wichtigsten Energieträger ignoriert und zur Abwicklung an die Klimapolitik delegiert.
Selbst wenn der Wind- und der Solar-Express Fahrt aufnehmen sollten – wonach es im Moment nicht aussieht – und die Elektromobilität nicht nur bei den Neuzulassungen, sondern auch auf der Strasse vielleicht an Bedeutung gewinnt, wird die Schweiz noch lange auf eine funktionierende Mineralölwirtschaft angewiesen sein. Die Aufgabe der Politik ist nicht nur, für übermorgen zu planen, sondern dafür zu sorgen, dass uns auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft der Most nicht ausgeht. Dazu braucht es mehr Realismus und mehr Mut.
Biotreibstoffe aus pflanzlichen Abfällen und Reststoffen sind eine höchst effiziente Massnahme, um den CO2-Ausstoss des Strassenverkehrs zu senken. Seit ihrer Einführung vor 10 Jahren konnten jährlich einige hunderttausend Tonnen CO2 vermieden werden, Tendenz steigend. Es handelt sich um die wirkungsvollste Einzelmassnahme in unserem Land zum Schutz des Klimas, und sie könnte weiter ausgebaut werden.
Es war daher nachvollziehbar, dass der Bundesrat mit dem Entwurf für das revidierte CO2-Gesetz für die Jahre 2025 bis 2030 dem Biotreibstoff einen festen Platz im Massnahmenkatalog einräumen wollte. Er sah vor, dass künftig ein fester Anteil der in den Markt überführten Treibstoffe erneuerbar sein soll. Diese sogenannte «Überführungspflicht» für biogene Treibstoffe würde den Treibstoffimporteuren obliegen, die daher auch bereits begonnen haben, sich mit der neuen Aufgabe auseinanderzusetzen. Aber zur grossen Überraschung der Branche hat der Nationalrat im Dezember die Überführungspflicht ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen. Über die Beweggründe kann man angesichts der gleichzeitig beschlossenen hohen CO2-Verminderungsziele im Inland nur rätseln.
Da mag es einerseits eine verständliche Überlegung gegeben haben: wieso soll für die nächsten fünf Jahre ein neues Instrument eingeführt werden, wenn das bisherige – die Kompensationspflicht – die Biotreibstoffe ausreichend gefördert hat? Diese rationale Betrachtung dürfte jedoch kaum ausschlaggebend gewesen sein. Aus dem Ratsprotokoll geht vielmehr hervor, dass die Überführungspflicht gestrichen wurde aus Angst vor den Kosten, die sie verursacht hätte. In diesem Punkt sind Parlament und Bundesbehörden gebrannte Kinder, nachdem das Vorgängergesetz vor bald drei Jahren an der Urne krachend gescheitert ist. Seither wird bei jeder Gelegenheit betont, dass der Klimaschutz dank der aktuellen Vorlage zum Nulltarif zu haben sein wird. Benzinpreise haben es an der Urne besonders schwer, so die Aussage von Energieminister Albert Rösti.
Eine weitere Gruppe im Nationalrat lehnte die Überführungspflicht wiederum ab, weil sie scheinbar der festen Überzeugung ist, dass der Strassenverkehr in Bälde vollkommen elektrifiziert sein wird und Biotreibstoffe für die Luftfahrt reserviert sein sollten. Die jüngst veröffentlichten Zahlen und Verlautbarungen der Automobilindustrie lassen allerdings wenig Spielraum für solche Träume. Die Zahl der Automobile mit Verbrennungsmotor ist seit Jahren konstant, flüssige Treibstoffe werden noch für Jahrzehnte auch im Strassenverkehr eingesetzt werden; es ist – oder wäre – nur vernünftig, diese allmählich durch klimaverträgliche Komponenten wie Biotreibstoffe zu ersetzen. Wir sind auf diesem Weg schon ein hübsches Stück vorangekommen. Nach dem Nationalratsentscheid stellt sich indes die Frage: Ja was denn nun?