Die Schweiz auf dem Siegerpodest

Beinahe hätte die Schweizer Fussballnationalmannschaft an der EM den Sieg gegen England geholt und ihren Weg unter die Spitzenteams von Europa fortsetzen können. Anderswo zählt die Schweiz bereits seit Jahren zu den weltweit Besten, ohne dass die Öffentlichkeit davon besondere Notiz nimmt. Die Rede ist vom Energie-Trilemma, eine vom Weltenergierat im Jahr 2010 geschaffene Messgrösse für die Energielage eines Landes.

Der Trilemma-Index beschreibt den Konflikt zwischen den drei energiepolitischen Zielen «Energie­versorgungs­sicherheit», «Zugang/Bezahlbarkeit» sowie «Ökologische Nachhaltigkeit». Alljährlich erfolgt ein Ranking von rund 130 Ländern in Bezug auf ihre Fähigkeit, das Energie-Trilemma zu bewältigen. Seit Jahren ist die Schweiz zusammen mit Dänemark, Schweden und Finnland in den Top Vier platziert, häufig auf Platz eins. Besonders gut schneidet unser Land jeweils beim Kriterium «Zugang/Bezahlbarkeit» ab. Wir verfügen jederzeit über eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Gerade die Kosten für fossile Energieträger sind gemäss Landesindex der Konsumentenpreise in den vergangenen Jahren im Verhältnis zu den übrigen Lebenshaltungskosten stets gesunken. Bei der Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit führen die Schweiz, Schweden und Norwegen. Der Weltenergierat schreibt dazu: Diese Länder haben auf Energieef  zienz gesetzt, diversifizierte kohlenstoffarme Energiesysteme eingeführt und effektive politische Instrumente eingesetzt, um die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Welch ein Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Schweiz!

Der Bedeutung der Bewertung durch den Weltenergierat liegt sowohl in der Gesamtbetrachtung der Energiesysteme als auch im langfristigen Vergleich der Entwicklungen in zahlreichen Ländern. Bezüglich der Versorgungssicherheit erhält die Schweiz ebenfalls Jahr für Jahr gute Noten, doch dürfte dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen, dass diese in den kommenden Jahren gefährdet ist. Der langjährige Podestplatz sollte uns nicht dazu verleiten, uns auf den Lorbeeren auszuruhen. Für die insgesamt gut abschneidenden europäischen Staaten halten die Autoren des kürzlich publizierten 15. Trilemma-Berichts denn auch eine Warnung bereit. Zwar konnte Europa den unmittelbaren Energieengpass nach dem Ausfall der russischen Versorgung meistern. Die langfristige Strategie vieler europäischer Staaten birgt laut dem Weltenergierat allerdings Risiken wie geringere Wettbewerbsfähigkeit, höhere Energiekosten und den Verlust technologischer Vorteile, was eine Deindustrialisierung zur Folge haben könnte. Dann wäre die Zeit der Podestplätze vorbei. Unser heutiges Energiesystem verdient politische Entscheide, die mit Bedacht gefällt werden und alle Dimensionen des Energie-Trilemmas berücksichtigen.

Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy Suisse

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